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\n\t\t\t[vc_column_text]\n\n\tT<\/span>ats\u00e4chlich ist bei den atypischen Neuroleptika in den letzten Jahren eine wundersame \u00c4nderung der Verschreibungspraxis zu beobachten. Urspr\u00fcnglich schizophrenen Patienten mit psychotischen Symptomen vorbehalten, kommen \u201eAtypika\u201c heute bei allen m\u00f6glichen psychiatrischen Symptomen zum Einsatz. Bei schweren Depressionen genauso wie bei bipolarer St\u00f6rung, \u201eSt\u00f6rungen des Sozialverhaltens\u201c von Kindern und Jugendlichen, Zwangserkrankungen, Essst\u00f6rungen, Tourette-Syndrom, Posttraumatische Belastungsst\u00f6rung und sogar bei Pers\u00f6nlichkeitsst\u00f6rungen und Autismus. Therapeutische Verzweiflungstaten in Ermangelung besserer spezifischerer Medikamente? Eine kalkuliert Strategie der pharmazeutischen Industrie? Auf jeden Fall ein Spezifikum der Psychiatrie. Schwer vorstellbar, dass in der somatischen Medizin ein Herzmedikament pl\u00f6tzlich als wirksam gegen Diabetes, Bronchitis oder Nierensteine akzeptiert w\u00fcrde. <\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]\u00c4hnlich wie beim Boom der bipolaren St\u00f6rung bei Kindern k\u00f6nnte an der allgemeinen Epidemie psychiatrischer Erkrankungen auch das Gesundheitssystem selbst in fundamentaler Weise beteiligt sein. In seinem Buch \u201eAnatomie einer Epidemie\u201c sammelt der Wissenschaftsjournalist Robert Whitaker Indizien und umfangreiches wissenschaftliches Beweismaterial f\u00fcr seine These, die Epidemie psychischer Erkrankungen sei zum grossen Teil durch den Psychopharmaka- Verschreibungshype verursacht \u2013 und somit vom Gesundheitssystem hausgemacht. <\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]Whitakers gleichermassen plausible wie beunruhigende These in Kurzfassung: Eine Vielzahl von Patienten wird wegen urspr\u00fcnglich geringf\u00fcgiger Beschwerden mit leichter bis mittelgradiger Beeintr\u00e4chtigung ohne zwingende Notwendigkeit mit Psychopharmaka, insbesondere SSRIs behandelt. Die medikament\u00f6se Behandlung f\u00fchrt kurzfristig vielleicht zu einer Symptombesserung \u2013 und genau diesen \u201equick fix\u201c wollen Patient und behandelnder Arzt gleichermassen erzielen. Mit zunehmender Behandlungsdauer aber, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die biochemischen Prozesse des Gehirns nachhaltig aus dem Gleichgewicht geraten. Anstatt krankheitsbedingte \u201echemische Ungleichgewichte\u201c zu korrigieren, verursachen Psychopharmaka \u2013 die wohl zutreffender \u201eNeuropharmaka\u201c genannt werden sollten \u2013 diese n\u00e4mlich erst. Durch die chronische Medikation kommt es zu komplexen, Rezeptoren Ver\u00e4nderungen, kompensatorischer Gegenregulation und ver\u00e4ndertem Neurotransmitter- Stoffwechsel. Als Folge davon treten mit der Zeit Wirkungsverlust, Gew\u00f6hnung und Medikamentenabh\u00e4ngigkeit auf. Die urspr\u00fcnglichen Symptome kehren zur\u00fcck, h\u00e4ufig st\u00e4rker ausgepr\u00e4gt als die urspr\u00fcnglichen Beschwerden. Und in Form von Nebenwirkungen kommen neue Symptome hinzu. Die Pharma- Spirale kommt in Schwung. Oder, wie man in Psychiatriekreisen zu sagen pflegt: Der Patient muss \u201eneu eingestellt\u201c werden.<\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]Besonders die seit Mitte der 90er Jahre g\u00e4ngige Praxis, immer mehr und immer j\u00fcngere Kinder mit SSRIs, Ritalin und \u201emood stabilizern\u201c zu behandeln \u2013 was anf\u00e4nglich noch als ein echter Tabubruch empfunden wurde \u2013 d\u00fcrfte zur Zunahme chronifizierter und invalidisierter Psychiatriepatienten beigetragen haben. Die dauernde Ausweitung diagnostischer Kriterien hat zudem eine Pathologisierung von Befindlichkeitszust\u00e4nden bewirkt, die vor einigen Jahren noch als normal angesehen wurden.<\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]Aus dem urspr\u00fcnglich zwar ungl\u00fccklichen, aber psychopathologisch normalen Ratsuchenden ist ein chronischer Patient geworden, der ein halbes Dutzend Medikamente schluckt und an einer Vielzahl wechselnder Symptome leidet. <\/span><\/p>\n

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Felix Hasler, Neuromythologie<\/strong>,transcript<\/a>
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