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\n\t\t\t[vc_column_text]\n\n\tJ<\/span>emanden f\u00fcr psychisch krank zu erkl\u00e4ren, weil er bzw. sie auf eine bestimmte Art handelt oder sich verh\u00e4lt, ist etwas v\u00f6llig anderes, als eine Krankheit festzustellen, f\u00fcr die es physiologische Anhaltspunkte gibt. Verhalten als Indiz f\u00fcr eine Krankheit ist kein objektiver Tatbestand \u2013 es ist dar\u00fcber hinaus auch deswegen subjektiv, weil Verhalten eine Sache von Beobachtung und Interpretation ist. Kurz gesagt, was f\u00fcr den einen Menschen verr\u00fcckt ist, ist f\u00fcr den anderen erkl\u00e4rbar, ja sogar vern\u00fcnftig. Was dem einen abscheulich ist, h\u00e4lt der andere lediglich f\u00fcr schlechte Manieren, und ein Dritter mag das Verhalten sogar witzig finden. Das Urteil h\u00e4ngt davon ab, wer beobachtet, mehr noch von der Haltung, die der Beobachtung zugrunde liegt.<\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]\n\n\tD<\/span>ie Vorstellung von psychischer Krankheit ist simpel: Man nehme psychisches Leid als Beweis f\u00fcr eine Krankheit, auf die nur eine hochspezialisierte und gutbezahlte Gruppe von Heilern \u2013 fast schon eine Priesterschaft \u2013 einwirken kann. Und man sei nicht sparsam mit drastischen Massnahmen. Man benutze Psychopharmaka, Grausamkeit und Schrecken, Einkerkerung und elektrischen Strom f\u00fcr das Gehirn. Blosse Gespr\u00e4chstherapie ist zu einfach, sowie auch Gespr\u00e4che, Freundschaft und Beratung zu primitiv sind, braucht man dazu doch weder Rezept noch Lizenz.<\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]\n\n\tM<\/span>enschliches Elend, Ungewissheit, Lebenskrisen, die schmerzhaften Prozesse, durch die wir uns voneinander trennen, wachsen, Neues schaffen, uns ver\u00e4ndern oder Entscheidungen treffen\u2026 all das sind Zeiten der Verwundbarkeit. Von Seiten unserer Umwelt oder aus unserem Inneren regt sich Widerstand. Wir sind uns selbst unsicher, als Mann oder als Frau, als Liebende, Bruder oder Schwester, Kinder oder Eltern; wir k\u00f6nnen verwirrt sein, \u00fcberw\u00e4ltigt, besch\u00e4mt, eingesch\u00fcchtert, geschw\u00e4cht oder erniedrigt. Ganz besonders dann, wenn wir davon \u00fcberzeugt wurden, die eigenen Gef\u00fchle, Reaktionen und Beweggr\u00fcnde nicht zu kennen, die eigene Urteilskraft unzuverl\u00e4ssig und unsere psychischen Prozesse falsch zu finden. Dann erkl\u00e4re man das Menschsein an sich zum medizinischen Problem, definiere die Psyche als eine Abfolge von mysteri\u00f6sen Unw\u00e4gbarkeiten und behaupte, es handle sich um ein chemisches Konstrukt von unsicherem Gleichgewicht, um ein R\u00e4tsel dem wir ausgeliefert sind. Nur die Psychiatrie kann diese instabile Mixtur in Ordnung bringen \u2013 mit Psychopharmaka, deren Wirkungsweise nicht einmal die Doktoren verstehen, von denen sie aber behaupten, dass sie uns nicht schaden.<\/span><\/p>\n

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[\/vc_column_text][vc_column_text]\n\n\tM<\/span>it Psychopharmaka ist weniger Medizin gemeint, eher Medikation. Diese stellt ruhig, stumpft ab, macht tr\u00e4ge oder hektisch, vermindert oder erzeugt Stress, st\u00f6rt die Konzentrationsf\u00e4higkeit und verzerrt die Wahrnehmung, verhindert vern\u00fcnftiges Denken. Sie tut das, was Psychopharmaka eben tun: sie entstellen, aber sie heilen nicht, wie auch, wenn gar keine Krankheit vorliegt. Psychische und emotionale Belastungen und Beschwerden sind nun mal nat\u00fcrliche Bestandteile des menschlichen Lebens und keine Krankheitssymptome.<\/span><\/p>\n

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\nKate Millett: Psychische Krankheit \u2013 ein Phantom. <\/span><\/p>\n

Text aus dem Buch: \u201eStatt Psychiatrie 2\u201c, Peter Lehmann, Peter Stastny (Hg.)<\/span><\/a><\/p>\n

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