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„Erfolgreiches Absetzen von Psychopharmaka“ Das weltweit erste Buch zum Thema richtet sich an die Behandelten, die aus eigenem Entschluss die verordneten Psychopharmaka absetzen wollen. Gleichfalls angesprochen sind ihre Angehörigen und Therapeuten.

 

„Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leugnen“ Prof. Peter C. Gøtzsche ist Facharzt für innere Medizin und hat viele Jahre für Pharmaunternehmen klinische Studien durchgeführt und sich um die Zulassung von Medikamenten gekümmert. In seinem zweiten Buch konzentriert sich Peter C. Gøtzsche auf die Missstände in der psychiatrischen Behandlung, bei der die Profitgier von Ärzten und Pharmaindustrie über das Wohl der Patienten gestellt wird. Anhand fundierter wissenschaftlicher Recherchen und Studien deckt er ein Geflecht aus Fehldiagnosen, Korruption und Lügen auf. Leseprobe

 

„Neuromythologie“ Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung, von Dr. pharm Felix Hasler.

 

„Neue Psychiatrie“ Den Biologismus überwinden und tun, was wirklich hilft. Felix Haslers pointierte Analyse ist ein vorgezogener Nachruf auf eine erfolglose, aber nebenwirkungsreiche Idee und ein Plädoyer für eine neue Psychiatrie des pragmatischen Handelns.

 

„Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika – Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen“ Die durchschnittliche Lebenserwartung psychiatrischer Patienten ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um 25 Jahre verringert. Sie sind Arzt, Angehöriger oder Patient und wollen sich also rasch und genau informieren über die Wirkungen der modernen Psychopharmaka, die verordnet oder geschluckt werden, über eventuelle Minimaldosierung, Placebo-Effekte und Alternativen: Lesen Sie dieses Buch!
Neue Antidepressiva und Neuroleptika (Antipsychotika) und sogar moderne Elektroschocks gelten als verträglicher und wirksamer als die herkömmlichen Substanzen und Methoden. Dass dies eine marktgerechte Unwahrheit ist, erfahren Sie – von Abilify über Cipralex und Fluoxetin bis Zyprexa – detailliert im Buch.

 

Schöne neue Psychiatrie. Band 1: Wie Chemie und Strom auf Geist und Psyche wirken / Band 2: Wie Psychopharmaka den Körper verändern Wer Klarheit über die Risiken will, die mit der Verabreichung von psychiatrischen Psychopharmaka und von Elektroschocks verbunden sind, muss sich mit deren Wirkungsweise und Auswirkungen auseinandersetzen, erst recht, wenn ärztlicherseits das Interesse an einer umfassenden Aufklärung zu wünschen übrig lässt.

 


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Kann die langfristige Behandlung mit Antidepressiva den Verlauf einer Depression verschlechtern? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/05/kann-die-langfristige-behandlung-mit-antidepressiva-den-verlauf-einer-depression-verschlechtern-2/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/05/kann-die-langfristige-behandlung-mit-antidepressiva-den-verlauf-einer-depression-verschlechtern-2/#respond Thu, 23 May 2019 06:00:32 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=7340

Einmal in die Mühle der Psychopharmakologie gelangt, ist es für viele Patienten schwierig, aus dieser jemals wieder rauszukommen. Selbst beim Ausbleiben echter Entzugserscheinungen kann das Absetzen von Antidepressiva Probleme machen. Schon seit langem ist bekannt, dass depressive Patienten häufig wieder krank werden, wenn sie aufhören, ihre Medikamente zu nehmen.

 

Vor ein paar Jahren hat sich der italienische Psychiater Giovanni Fava die entscheidende Frage gestellt: „Kann die langfristige Behandlung mit Antidepressiva den Verlauf einer Depression verschlechtern?“

 

[…] Psychiater Fava fasst das Problem wie folgt zusammen: „Antidepressiva mögen bei Depressionen kurzfristig nutzbringend sein, könnten den Verlauf der Krankheit aber durch Verstärkung der biochemischen Vulnerabilität langfristig verschlechtern, […] Die Anwendung von Antidepressiva kann dazu führen, die Krankheit zu einem maligneren und schlechter auf Behandlung ansprechenden Verlauf voranzutreiben.“ Auch in einem Kommentar im Journal of Clinical Psychiatry sprechen drei Ärzte aus, was selten offen diskutiert wird: „Der Langzeitgebrauch von Antidepressiva kann depressogen sein. […] Es ist möglich, dass Antidepressiva die Verdrahtung neuronaler Synapsen verändert, was nicht nur dazu führt, dass Antidepressiva wirkungslos werden, sondern auch ein schwer zu beeinflussender depressiver Zustand hervorgerufen wird.“

 

Ein gewichtiger Verdacht mit beträchtlichen Konsequenzen für die klinische Praxis, würde man meinen. Weshalb ist zur systematischen Klärung dieser Frage bis heute kaum etwas unternommen worden? Vielleicht deshalb, weil niemand an der Klärung des Sachverhalts interessiert ist.

 

[…]Auch Carolyn Dewa vom Center for Addiction and Mental Health in Ontario – eine ausgewiesene Spezialistin für Erwerbsunfähigkeit im Zusammenhang mit psychischen Störungen – wundert sich: „Mit dem ganzen Angebot an verfügbaren Depressionsbehandlungen kann man sich fragen, warum Invalidität im Zusammenhang mit Depression zunimmt.“

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Verlust an Hirnsubstanz https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/verlust-an-hirnsubstanz/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/verlust-an-hirnsubstanz/#comments Sun, 28 Apr 2019 16:34:54 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5413

Zwar gelang es bislang nicht, per Hirn-Scan hypothetische Veränderungen des Gehirns bei psychischen Störungen nachzuweisen. Sehr wohl aber gelang der Nachweis, dass bestimmte Psychopharmaka bei chronischer Verabreichung zu echten hirnmorphologischen Veränderungen führen. Im Fall der Neuroleptika ist gar mit einem kontinuierlichen Verlust an Hirnsubstanz zu rechnen. […]

 

Die Neurowissenschaftlerin Andreasen verfolgt seit Anfang der 1990er Jahre den Langzeitverlauf schizophrener Erkrankungen und führt bei den Patienten in regelmässigen Abständen MRT-Messungen des Gehirns durch. Seit Mitte der 1990er Jahre war in Andreasens Forschungsberichten in verschiedensten Variationen zu lesen, dass Patienten unter fortschreitender Verkleinerung des Hirnvolumens litten, besonders im Bereich des Stirnhirns. Und dass dieser Abbau von Hirnsubstanz in direktem Zusammenhang mit Negativsymptomen, kognitiven Störungen und der allgemeinen Funktionstüchtigkeit steht. […] In einem Interview mit der New York Times im September 2008 […] erwähnte die Forscherin, fast beiläufig, dass „je mehr Medikamente Sie (die Schizophrenie Patienten) bekommen haben, desto mehr Hirngewebe verlieren Sie.“ Die Psychiaterin und langjährige Chefredakteurin des American Journal of Psychiatry erklärte der erstaunten Journalistin auch gleich, weshalb dem so ist: „Die Antipsychotika blockieren die Aktivität der Basalganglien. Der präfontale Cortex bekommt nicht den benötigten Input und wird von den Medikamenten heruntergefahren. Dies reduziert die psychotischen Symptome. Es verursacht aber auch, dass der Cortex langsam verkümmert.“

 

Dass höchst wahrscheinlich die antipsychotischen Medikamente und gar nicht die eigentliche Erkrankung für die Hirnveränderungen bei chronisch schizophrenen Patienten verantwortlich sind, ist aber noch lange nicht in der Fachwelt angekommen.

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Ist die biologische Psychiatrie wissenschaftlich belegt? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/ist-die-biologische-psychiatrie-wissenschaftlich-belegt/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/ist-die-biologische-psychiatrie-wissenschaftlich-belegt/#respond Sun, 28 Apr 2019 04:30:44 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5148

Schon vor Jahren haben der klinische Psychologe Alvin Palm und der Psychiater Colin Ross, die biologische Psychiatrie als „Pseudowissenschaft“ bezeichnet und mit harscher Kritik überzogen:

 

„Die Geschichte der biologischen Psychiatrie kann nachgezeichnet werden als Geschichte von viel versprechenden Fährten, abschliessenden Schlussfolgerungen aufgrund dürftiger Evidenzen, Übertreibungen als Antwort auf neue Ansätze und letztendlich unproduktiven Ergebnissen.“ Es gäbe immer noch „keinen Beleg dafür, dass es die Biologie sei, die Schizophrenie, bipolare Störung oder irgend eine andere funktionelle psychische Störung verursache“, so die Autoren in ihrem Buch von 1995 weiter. Ihr Fazit ist dementsprechend ernüchternd:

 

„Die biologische Psychiatrie hat in den letzten 10 Jahren keine einzige klinisch relevante Entdeckung gemacht, trotz Hunderten von Millionen an investierten Forschungsgeldern.“ […]


Auch nicht besser sieht es aus, wenn man die allgemein anerkannten Prüfkriterien für wissenschaftliche Modelle anlegt: Voraussagekraft, Widerspruchsfreiheit, Stichhaltigkeit und Relevanz. In allen 4 Punkten schneiden die neurobiologischen Modelle psychischer Erkrankungen jämmerlich schlecht ab.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Eine kurze Geschichte der Psychopharmakologie https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/eine-kurze-geschichte-der-psychopharmakologie/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/eine-kurze-geschichte-der-psychopharmakologie/#respond Sat, 27 Apr 2019 22:30:11 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5327

Ein geradezu existentielles Interesse an der Biologisierung der psychischen Störungen hat naturgemäss die pharmazeutische Industrie. Nur wenn Erkrankungen der Psyche als Erkrankungen des Gehirns und somit als biologisches Problem verstanden werden, ist es überhaupt sinnvoll, Medikamente einzusetzen. Durch die forcierte Naturalisierung der Psychiatrie konnte ein riesiger neuer Markt erschlossen werden. […]

 

Mitte der 1950er Jahre wurde ein neues Kapitel der Psychiatriegeschichte aufgeschlagen. Die Ära der Psychopharmakologie, in der wir uns heute mehr denn je befinden, erlebte eine Morgendämmerung.


In jener Zeit war die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung somatischer Erkrankungen schon halbwegs von einer Vorgehensweise charakterisiert, die man heute als „rational drugs design“ bezeichnet. Auf der Suche nach „Magic Bullets“ im Sinne Paul Ehrlichs studierten die Forscher Ursachen und Wesen einer Krankheit und suchten aufgrund ihrer Befunde nach einer sinnvollen Behandlungsmethode. Durch diese Vorgehensweise – und dem notwendigen Glück – wurde eine ganze Reihe neuer Antibiotika entdeckt, Mittel gegen Tropenkrankheiten gefunden, die Insulinsubstitution als Standarttherapie der Zuckerkrankheiten etabliert und neue Impfstoffe entwickelt.

 

Bei Medikamenten gegen psychische Störungen sah es dagegen ganz anders aus. Im Nachhinein hat die Pharmaindustrie zwar den Eindruck erweckt, ihre Psychopharmaka seien auf der Grundlage evidenzbasierten Wissens um die biologischen Vorgänge im Gehirn entwickelt worden. In Tat und Wahrheit ist die Geschichte der Psychopharmakologie nichts anderes als eine Geschichte glücklicher Zufälle. […]

 

Dem Wirkstoff Chlorpromazin wird heute zugeschrieben, als erstes wirksames Antipsychotikum die psychopharmakologische Revolution der 1950er Jahre ausgelöst zu haben. Die Entwicklung des Chlorpromazins war aber alles andere als planvoll und die Entdeckung seiner antipsychotischen Wirkung einer Reihe von Zufällen zu verdanken. Die Herstellerfirma Rhone-Poulenc dachte nämlich anfänglich, mit dem Thorazin-Wirkstoff Chlorpromazin ein neues Antihistaminikum gefunden zu haben. […] Henry Laborit, ein junger Chirurg der französischen Marine, hat Chlorpromazin […] angewendet und festgestellt, dass seine Testsubstanz bei den Patienten eine „euphorische Ruhe“ […] bewirkt. An einer Konferenz in Brüssel im Dezember 1951 berichtete Laborit seinen Fachkollegen, dass Chlorpromazin seine Patienten zuverlässig in einen Dämmerzustand versetze, eine „veritable medizinische Lobotomie“. […] Trotz aller Skepsis und trotz der Verunsicherung bei Rhone-Poulenc hat das Chlorpromazin Ende der 1950er Jahre von Frankreich, der Schweiz und Kanada ausgehend einen weltweiten Siegeszug angetreten. Und damit die Psychiatrie nachhaltig verändert.[…]

 

Etwa zur selben Zeit hat der Chemiker Frank Berger bei Wallace Laboratories in New Jersey einen neuartigen Wirkstoff entwickelt, der als Prototyp der „Minor Tranquilizer“ Karriere machen sollte. Wiederum keine Spur von „rational drug design“, wiederum eine pure Zufallsentdeckung. Berger war ursprünglich auf der Suche nach einem Antibiotikum, das aber breiter als Penicillin wirken sollte. Dazu synthetisierte er Abwandlungen eines in England gebräuchlichen Desinfektionsmittels. In den Tierversuchen zur Toxizitätsabschätzung entdeckte der Chemiker, dass eine seiner Testsubstanzen wirksam die Skelettmuskulatur entspannte. Und nicht nur das. Seine sonst durch Herumexperimentieren gestressten Versuchstiere machten einen ungewöhnlich entspannten Eindruck. Berger erkannte schon früh das Potenzial, einen angstlösenden Wirkstoff zu entwickeln. […] Berger hatte zwar nicht das erhoffte neue Antibiotikum gefunden, dafür aber den zweiten bedeutenden Wirkstoff im gerade anbrechenden Zeitalter der Psychopharmakologie entwickelt. Meprobamat, so der Name von Bergers Beruhigungsmittel, wurde 1955 unter dem Namen Miltown auf den Markt gebracht. […] 

 

Miltowns Grosserfolg lag nicht nur an den Ärzten, die das Medikament grosszügig an alle Patienten verschrieben. Vor allem verlangten die gestressten und ängstlichen Amerikaner selbst vehement nach der neuen „Ruhepille“ […]

 

Ganz in Tradition früher pharmazeutischer Innovation wurde auch das erste Antidepressivum durch puren Zufall entdeckt. Bei Hoffman-La Roche suchte man […] nach einem Mittel gegen Tuberkulose. Als man den Wirkstoffkanditaten Iproniazid an Patienten in Tuberkulosekliniken ausprobierte, stellten die behandelnden Ärzte fest, dass die Patienten seltsam „energetisiert“ und offensichtlich guter Laune waren. Aufgrund der vermuteten stimmungsaufhellenden Wirkung wurde Iproniazid schon bald auch bei depressiven Patienten getestet. Trotz unzuverlässiger Wirkung und einer Reihe von Nebenwirkungen hat Nathan Kline, Psychiater am Rockland State Hospital bei New York, das Medikament mit einer wohlwollenden Fachpublikation gerettet. […] 1958 wurde Iproniazid als erstes Antidepressivum zugelassen und unter dem Namen Marsilid vermarktet. […]

 

Praktisch zur selben Zeit, […] entdeckte der Schweizer Psychiater Roland Kuhn die antidepressive Wirkung von Imipramin, eine Neuentwicklung aus den Labors des Pharmaherstellers Geigy. Immerhin, bei dieser Substanz war der Abstand zwischen eigentlich gesuchter und tatsächlicher Wirkung noch am kleinsten. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zu Chlorpromazin vermutete Geigy nämlich eine antipsychotische Wirkung. Die Wahnsymptome verschwanden bei Kuhns schizophrenen Patienten zwar nicht, dafür schien sich deren Stimmung zu bessern. 1958 wurde Imipramin unter dem Markennamen Tofranil eingeführt. […] 

 

Um die Psychoanalytiker mit ihren neuen Medikamenten nicht zu vergraulen, haben die Pharmaproduzenten in der ersten Kampagne noch explizit darauf hingewiesen, dass ihre Arzneien Geisteskrankheiten zwar nicht von sich aus heilen, Patienten aber soweit entspannen könnten, dass sie einer Behandlung durch den Therapeuten zugänglich werden. Thorazine und Miltown seien lediglich „Hilfsmittel für die Psychotherapie, keine Heilmittel“, berichtete auch die New York Times. Wie sich die Zeiten doch geändert haben. Heutzutage gelten Psychopharmaka vielen Befürwortern der biologischen Psychiatrie sehr wohl als authentisches Heilmittel. Im Gegenzug mag die Psychotherapie mitunter nur noch, wie der Analytiker Joachim Küchenhoff nicht ganz frei von Sarkasmus befindet, „biologisch denkenden Psychiatern als Complianceförderung zur besseren Medikamentenverordnung gelten.“

 

Aber schon Mitte der 1960er Jahre hatte sich das Image der neuen Psychopharmaka deutlich gewandelt. Schritt für Schritt wurden neue therapeutische Klassen eingeführt und die alten „Beruhigungs- und Aufbaumittel“ im Nachhinein per Umbenennung aufgewertet. Aus den „Major Tranquilizern“ wurden „Antipsychotika“, aus den „Minor Tranquilizern“ wurden „Anxiolytika“ und aus den allgemeinen „psychischen Energiespendern“ wurden Antidepressiva. Da war sie nun plötzlich, diese scheinbare Spezifität, diese vermeintlich passgenaue medikamentöse Antwort auf alle psychischen Leiden. […]

 

Die zunehmende pharmakozentrische Sichtweise der Psychiatrie hatte in den 1970er und 1980er Jahren weitere Gebietsgewinne zu verzeichnen. Durch Abwandlung bereits etablierter Wirkstoffe wurden dem therapeutischen Arsenal in rascher Folge immer neue Varianten von Anxiolytika, Antidepressiva und Antipsychotika hinzugefügt. Der ganz grosse kommerzielle Erfolg kam für die Pharmaindustrie aber erst mit der Entwicklung und Vermarktung einer neuen Klasse von Psychopharmaka, den „Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern“ (abgekürzt SSRIs). Deren Prototyp Prozac ist zu einem Symbol der 90er Jahre geworden. […]

 

Ärzte verschrieben Prozac nicht nur bei Depressionen, sondern auch bei weit verbreiteten persönlichen Problemen wie Empfindlichkeit auf Kritik, Angst vor Zurückweisung oder mangelndem Selbstvertrauen. Die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte von Prozac und Co. ist allerdings mehr als nur erstaunlich, wenn man die bewegte und wechselhafte Geschichte dieser zweiten psychopharmakologischen Revolution betrachtet. Eine Revolution, die letzten Endes auf dem Sieg des pharmazeutischen Marketings über wissenschaftliche Fakten beruht.

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript 

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Das Scheitern an der Komplexität des Gehirns https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/das-scheitern-an-der-komplexitaet-des-gehirns/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/das-scheitern-an-der-komplexitaet-des-gehirns/#respond Sat, 27 Apr 2019 20:00:45 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5378

Auf den ersten Blick, geht es uns besser denn je. Unsere Gesundheitsversorgung ist so gut wie nie zuvor. Die Lebenserwartung nimmt stetig zu und immer mehr körperliche Erkrankungen sind durch effektivere Therapien in den Griff zu bekommen. Im Gegensatz dazu, sind die psychischen Störungen seit Jahren im Vormarsch. Nicht nur steigt die Prävalenz vieler psychischer Erkrankungen seit Jahren kontinuierlich an – diese scheinen auch immer häufiger einen chronischen Verlauf zu nehmen. An erster Stelle stehen dabei die Depressionen. Besonders die „en vogue“ Depressionsdiagnosen: „Erschöpfungssyndrom“ und „Burnout“ gewinnen massiv an Terrain.

 

Es war eine der grossen Medizin- Hoffnungen der 90er Jahre, dass die „Neuro-Psychiatrie“ als exakte naturwissenschaftliche Disziplin schon bald psychopathologisches Geschehen auf der Ebene von Neuronen und Rezeptoren würde aufklären können. Dass sich mittels genetischen Screenings Risikopersonen identifizieren lassen werden. Dass mit bildgebenden Verfahren gesunde von depressiven und schizophrenen Gehirnen unterscheidbar würden. Und vor allem, dass sich aufgrund der Einsichten in die biologischen Abläufe von psychischen Störungen hochspezifische und damit nebenwirkungsarme Medikamente entwickeln lassen. Keine dieser Hoffnungen hat sich erfüllt. Noch nicht einmal ansatzweise.

 

Über alle Massen simplifizierte, nie bewiesene und bisweilen grundlegend falsche wissenschaftliche Konzepte zur Biologie der Psyche haben den Boden für die gesellschaftliche Akzeptanz bereitet, psychiatrische Störungen als entgleiste Chemie des Gehirns, insbesondere als Neurotransmitter-Ungleichgewichte zu begreifen. Der Mythos der Spezifität, Wirksamkeit und Sicherheit „moderner“ Psychopharmaka wiederum hat bewirkt, diese exzessiv zu verschreiben und auch bereitwillig einzunehmen. Mit dem leider häufigen Ergebnis, dass das delikate Gleichgewicht der Hirnchemie nachhaltig und möglicherweise irreversibel gestört wird. So kommt es, dass ursprünglich seltene und episodische psychische Krankheiten zu häufigen und chronischen geworden sind.

 

Dass die Entwicklung neuer und vor allem innovativer Psychopharmaka grosse Probleme macht, ist zwischenzeitlich auch der Pharmaindustrie selbst bewusst geworden. […] So sind die meisten Substanzen in den klinischen Studien längst bekannte Medikamente, die bereits zugelassen sind und nun die behördliche Zulassung für weitere Indikationen anstreben. Gleich mehrere atypische Antipsychotika, darunter auch die Blockbuster Risperdal und Seroquel, werden gerade auf ihre Eignung zum Einsatz bei Depressionen untersucht. […]

 

Eine pure Verzweiflungstat in Ermangelung echter Innovation? Wie schlecht Psychopharmaka in klinischen Studien abschneiden, zeigt ein Vergleich der Erfolgsraten. Gerade einmal 8,2 Prozent aller psychopharmakologischen Testsubstanzen aus den klinischen Untersuchungen erhalten am Ende eine behördliche Zulassung. Das ist ein Negativrekord unter allen therapeutischen Klassen. Das Scheitern an der Komplexität des Gehirns wird spätestens in den klinischen Untersuchungen offensichtlich.

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

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Komplexe Gehirnchemie https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/komplexe-gehirnchemie/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/komplexe-gehirnchemie/#respond Sat, 27 Apr 2019 18:35:55 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5408

Das Gehirn besteht – neben anderen Zellarten – aus geschätzten 100 Milliarden Neuronen, die über eine geschätzte Billiarde Synapsen miteinander in Verbindung stehen. Dazu kommt eine schier unüberschaubare Zahl von Botenstoffen (Amine, Neuropeptide, Aminosäuren und Gase), welche die Nervenübertragung durch Wechselwirkung mit einer Hundertschaft verschiedener Rezeptoren orchestriert und reguliert. Und nicht zu vergessen: Ebenso viele Hormone, zuständig für mittel- und langfristige Modulationen biologischer Vorgänge, sowie Tausende an Regulationsgenen. Ganz zu schweigen von spezifischen Transportmechanismen, molekularen Speicherorganen und einer ganzen Armada von Enzymen. Zudem mehren sich die Hinweise, dass nicht nur Neuronen, sondern auch ganz andere Zelltypen des Gehirns für Bewusstseinsprozesse, insbesondere für Gedächtnisfunktionen fundamental wichtig sein könnten.

 

Allein schon aufgrund der unvorstellbaren Komplexität des Gehirns erscheint es mehr als fragwürdig, psychische Störungen auf das Fehlverhalten einiger weniger seiner biochemischen Akteure herunterbrechen zu wollen. Dazu kommt, dass externe pharmakologische Eingriffe vom Gehirn über kurz oder lang durch Gegenregulationen ausgeglichen werden. Rezeptordichten und Gegenexpression werden angepasst, die Ansprechbarkeit von Rezeptoren wird verändert oder die endogene Produktion von Botenstoffen herunter gefahren. Auch Sucht und Entzugserscheinungen basieren typischerweise auf solchen Vorgängen. Wird eine suchterzeugende Substanz regelmässig konsumiert, kommt es zu einer ganzen Kaskade von neurochemischen Anpassungen im Gehirn. Entfällt plötzlich die vom Gehirn antizipierte Zufuhr, entsteht ein relativer Mangelzustand. Subjektiv werden Entzugserscheinungen erlebt.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Die Kunst eine Krankheit zu verkaufen https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/die-kunst-eine-krankheit-zu-verkaufen/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/die-kunst-eine-krankheit-zu-verkaufen/#respond Sat, 27 Apr 2019 17:15:02 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5389

Während es für viele Menschen früher einfach zum normalen Leben gehörte, gelegentlich Phasen der Traurigkeit, Energiearmut und Hoffnungslosigkeit zu durchleben, schreiben wir einem solchen Zustand heute schon sehr schnell einen Krankheitswert zu. Mit dazu beigetragen haben ohne Zweifel die zahlreichen Krankheitsaufklärungskampagnen der pharmazeutischen Industrie.

 

Ganz entscheidend für den überwältigenden Erfolg der SSRIs war die von Anfang an verfolgte Strategie, depressive Erkrankungen auf einen einfachen biologischen Mechanismus zu reduzieren. In aufwändigen Aufklärungskampagnen verbreitete die pharmazeutische Industrie noch bis vor kurzem eine simple und eingängige Botschaft: Depression ist eine Störung der Neurotransmitter-Systeme, insbesondere ein Serotoninmangel im Gehirn. […]

 

Erstaunlicherweise gibt es aber überhaupt keine wissenschaftlichen Studien, die diese Hypothese auch nur halbwegs überzeugend belegen könnten. In keiner einzigen Untersuchung wurde bis heute nachgewiesen, dass Veränderungen im Serotoninsystem bei irgendeiner psychischen Störung ätiopathogenetisch bedeutsam sind, während eine ganze Reihe von Studien das Gegenteil gezeigt hat. 

 

Auch die Medien haben viel dazu beigetragen, dass sich die Meinung etablieren konnte, bei der Neurotransmitterhypothese der Depression handle es sich um eine eindeutig bewiesene medizinische Tatsache. Die amerikanischen Wissenschaftler Jonathan Leo und Jeffrey Lacasse haben sich dieses Phänomen genauer angeschaut. Wann immer sie einer entsprechenden Medienmittteilung begegnet sind, haben Leo und Lacasse den Verfasser des Berichts sowie den verantwortlichen Redakteur der Zeitung kontaktiert und gebeten, doch bitte die wissenschaftlichen Evidenzen zu nennen, auf die sie sich in ihrem Artikel beziehen. Zurück kam – nichts. Keiner der Autoren konnte auch nur eine einzige wissenschaftliche Studie oder einen Expertenkonsens zitieren, welche ihre Behauptung belegt, psychische Störungen seien Störungen des Neurotransmittergleichgewichts. […]

 

Psychiater Allen Frances hat […] an einer Konferenz in Berlin ein ernüchterndes Fazit zur biochemischen Hypothesen psychischer Störungen gezogen: „Unsere Neurotransmitter-Theorien sind nicht viel weiter als die Säfte Lehre der Griechen“

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

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Das „zerbrochene Gehirn“? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/das-zerbrochene-gehirn/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/das-zerbrochene-gehirn/#respond Sat, 27 Apr 2019 16:00:20 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5140

In der modernen Psychiatrie der letzten Jahre wurden sowohl die mentalen als auch die psychosozialen Faktoren psychischer Störungen zunehmend abgewertet und durch eine radikal auf Biologie reduzierte Sichtweise ersetzt. Der Psychologe Hennric Jokeit und die Journalistin Ewa Hess haben es in ihrem Essay „Neurokapitalismus“ auf den Punkt gebracht: „Depressionen und Angst werden jetzt im synaptischen Spalt zwischen Neuronen verortet und genau dort behandelt“. Auch wenn der Ursprung einer psychischen Malaise im Sozialen liegt – trostlose Kindheit, verkorkste Beziehungen, Mobbing am Arbeitsplatz – therapiert wird vor allem die Biologie. Früher waren Familie oder Umwelt an allem Schuld. Heute ist es das Gehirn.

 

Zugegebenermassen ist es einfacher und vor allem praktikabler, Medikamente zu verabreichen, als eine unbefriedigende Arbeitssituation aufzulösen oder einen zermürbenden Scheidungskrieg zu befrieden. […]

 

Ein paar Jahre nach Erscheinen des DSM-III (1980) hat Yale-Psychiater Mark Gold die neue Sichtweise in seinem Buch „The Good News About Depression“ in einem griffigen Ausdruck zusammengefasst: „Wir nennen unsere Wissenschaft „Biopsychiatrie“ die neue Medizin des Geistes.“ Die Psychiatrie hat sich den weissen Kittel der Mediziner angezogen und wurde von nun an auch in der Öffentlichkeit als wissenschaftliche Disziplin wahrgenommen. […]

 

Aber schon damals wurde über die Willkürlichkeit von Krankheitsdefinitionen und Diagnosekriterien heftig gestritten. So hielt Theodore Blau, damaliger Präsident der amerikanischen Psychologenvereinigung, das DSM III mehr für ein „politisches Positionspapier der American Psychiatric Association als für ein wissenschaftlich fundiertes Klassifikationssystem“. Wohl nicht ganz zu Unrecht, schliesslich war es mit der Wissenschaftlichkeit wirklich nicht weit her. Über die einzelnen psychiatrischen Krankheiten und ihre Symptome haben die APA-Psychiater nämlich ganz einfach abgestimmt: Heben sie die Hand liebe Kollegen, wenn sie der Meinung sind, das Symptom AB gehört zur Krankheit XY. Schwer vorstellbar, dass bei einer Versammlung von Diabetologen darüber abgestimmt wird, ob man einen neuen Typ von Zuckerkrankheit einführen soll, oder dass Astronomen darüber abstimmen, ob es schwarze Löcher gibt. […]

 

Für eine weite Verbreitung des biologischen Konzepts der Psychiatrie sorgte 1984 Nancy Andreasens Bestsellerbuch: „Das zerbrochene Gehirn“. Angepriesen wurde das Buch der amerikanischen Star-Psychiaterin als die „erste umfassende Darstellung der biomedizinischen Revolution in der Diagnose und Behandlung von psychischen Krankheiten.“ „Das zerbrochene Gehirn“ verkündete die neue Marschrichtung der Psychiatrie geradezu programmatisch: „Die wichtigsten psychiatrischen Störungen sind Krankheiten. Sie sollten als medizinische Krankheiten betrachtet werden, genauso wie Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs“.
Schon in Andreasens Buch zeigte sich allerdings das Grundproblem, das auch heute, fast 30 Jahre später, nicht gelöst ist. Nämlich, dass die Hirnforschung mit all ihren hoch technisierten Untersuchungsmethoden gar nicht zeigen konnte, ob – und vor allem nicht wo – das Gehirn denn bei psychischen Störungen überhaupt „zerbrochen“ ist. […]


Die spezifischen biologischen Charakteristika psychiatrischer Störungen liegen noch immer völlig im Dunkeln.
Bezeichnender Weise gibt es bis auf den heutigen Tag auch kein einziges biologisches Diagnoseverfahren – für keine einzige psychische Störung.[…]

 

Weder mit Gentests, noch mit klinischen-chemischen Untersuchungen, noch mit bildgebenden Verfahren gelingt es, Normalität von Depression, Manie oder Schizophrenie zu unterscheiden. Mit diesen Untersuchungsmethoden können nur hirnorganische Ursachen erkannt werden – beispielsweise ein Hirntumor, der möglicherweise einer Persönlichkeitsveränderung zugrunde liegt. Wie eh und je werden heute psychiatrische Diagnosen durch klinische Beobachtung, Gespräche mit Patienten und Angehörigen und dem Ausfüllen von Fragebögen gestellt.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

 

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Verlust der Empathiefähigkeit durch Antidepressiva? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/verlust-der-empathiefaehigkeit/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/verlust-der-empathiefaehigkeit/#respond Fri, 26 Apr 2019 16:52:48 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5371

Angesichts der wissenschaftlich mehr als zweifelhaften Datenlage bei den Antidepressiva drängt sich die Frage auf, mit welcher Begründung die Vielzahl von unangenehmen bis potenziell lebensbedrohlichen Nebenwirkungen von Antidepressiva denn überhaupt in Kauf genommen werden sollen, wenn offensichtlich kaum eine echte pharmakologisch bedingte antidepressive Wirkung nachzuweisen ist. Wie lang die Liste an möglichen Nebenwirkungen ist, zeigt der Blick auf den Beipackzettel.

 

Auch Forscher der McGill University in Montreal haben sich schon gewundert: „Vor 25 Jahren wäre den meisten Leuten die Vorstellung, täglich ein Medikament einzunehmen, das die globale Hirnchemie verändert, wie ein Science Fiction Alptraum vorgekommen. Sicher wäre bei vielen Menschen Bedenken darüber aufgekommen, was dies mit ihnen und ihrer Psyche anstellt. Wie kann es sein, dass diese natürliche Sorge verschwunden ist?“ […] die Forscher führen weiter aus, dass durch SSRIs womöglich sogar die grundsätzliche Liebesfähigkeit des Menschen herabgesetzt wird. Die Autoren Ian Gold und Lauren Olin argumentieren, dass SSRIs über indirekte Mechanismen auch biochemische Veränderungen in den dopaminergen Belohnungszentern des Gehirns verursachen würden. Und spekulieren, dass die neuronalen Veränderungen mit der Zeit zu einer Affektverflachung und zu einem Verlust der Empathiefähigkeit führen könnten. Dies ist bislang zwar nur eine Hypothese. Wie mir scheint, allerdings eine besonders beunruhigende.

 

Felix Hasler, Neuromythologie,transcript

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Durch Antidepressiva bipolar? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/durch-antidepressiva-bipolar/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/durch-antidepressiva-bipolar/#comments Thu, 25 Apr 2019 16:32:11 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5423

Häufig bekamen bipolare Patienten anfänglich die Diagnose einer unipolaren Depression gestellt und wurden typischerweise mit einem Antidepressivum behandelt. Wäre es also möglich, dass ein guter Teil der ursprünglich depressiven Patienten erst aufgrund der Behandlung mit Antidepressiva zu bipolaren Patienten geworden ist?

 

Die Zunahme bipolarer Diagnosen in unseren Tagen könnte durchaus auch damit zusammenhängen, dass ursprünglich unipolare depressive Patienten erst iatrogen durch Verschreibung von Antidepressiva zu manisch-depressiven Patienten werden. 

 

Der Direktor des Centro Lucio Bini und seine Kollegen haben den Krankheitsverlauf von 109 bipolaren Patienten mit „rapid cycling“ untersucht. Und festgestellt, dass der schnelle Wechsel zwischen Manie und Depression nur gerade in zwölf Prozent der Fälle spontan einsetzte. Bei 88 Prozent der Patienten sahen die Psychiater einen direkten Zusammenhang mit der Verabreichung von Antidepressiva oder anderen Medikamenten. Einmal angestossen, entwickelt sich das „rapid cycling“ rasch zu einem chronischen Verlauf mit schlechter Prognose: „Unser Befund legt nahe, dass das schnelle Umschalten, einmal etabliert, bei einem wesentlichen Teil der Patienten für viele Jahre zu einem stabilen Rhythmus wird […]“, berichten die Forscher aus Rom in ihrem Fachaufsatz von 2003.

 

Auch andere Psychiater wie Carlos Zarate von der Harvard Medical School kommen zu ernüchternden Einsichten: „Es ist möglich, dass wir als Kliniker durch unüberlegte und exzessive Langzeitverschreibung von Antidepressiva bei bipolaren Störungen zur Verschlechterung des Krankheitsverlaufs beigetragen haben.“

 

Frederick Goodwin, ein Experte auf dem Gebiet der bipolaren Störungen, erklärte seinen Kollegen, dass sich das Krankheitsbild in den letzten 20 Jahren stark gewandelt hätte. Die Patienten hätten schnellere Zyklen als früher, mehr gemischte manische und depressive Zustände und viel häufiger würde Lithium zur Affektstabilisierung nicht mehr funktionieren. Goodwin liefert auch gleich eine mögliche Erklärung: „Ich glaube, der wichtigste Faktor ist, dass die meisten Patienten mit der bipolaren Erkrankung ein Antidepressivum bekommen, bevor sie mit einem mood stabilizer behandelt werden.“

 

Und auch mit den Evidenzen für den sinnvollen Einsatz von Antipsychotika bei bipolaren Störungen sei es nicht weit her, führte Goodwin im Verlauf der zunehmend aus dem Ruder laufenden Diskussion aus. Die pharma-gesponserten Studien, die zeigten, dass bipolare Patienten hohe Rückfallraten hätten, wenn die Antipsychotika abgesetzt werden, seien geradezu „dazu konstruiert worden, Rückfälle zu erzielen.“ Offiziell wurden diese Studien aber als Beleg dafür gewertet, dass bipolare Patienten langfristig auf eine Therapie mit Antipsychotika angewiesen sind. Gemäss Goodwin seien diese Studien aber kein Beweis dafür, dass das Medikament notwendig sei, sondern ein Beweis dafür, dass es zu einem Rückfall komme, wenn die Chemie eines Gehirns abrupt verändert wird, das sich an ein Medikament gewöhnt hat. 50 Jahre nach dem Auftauchen der Antidepressiva wisse man eigentlich immer noch nicht, wie man bipolare Störungen behandeln solle, fügte ein anderer Diskussionsteilnehmer hinzu. Das passende Schlussfazit der hitzigen Diskussion inklusive Ausbuhen und gehässigen Zwischenrufen lieferte dann Nassir Ghaemi, Psychiater am Tufts Medical Hospital: „Können sich fünfzigtausend Psychiater irren? Ich glaube die Antwort ist: ja, wahrscheinlich.“

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Ritalin und Antidepressiva – Ursache für bipolare Kinder? https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/ritalin-und-antidepressiva-ursache-fuer-bipolare-kinder/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/ritalin-und-antidepressiva-ursache-fuer-bipolare-kinder/#respond Mon, 22 Apr 2019 20:33:34 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5417

Seit den 1980er Jahren hat nicht nur die Diagnose von Depressionen und sozialer Phobie, sondern auch das Auftreten von Panikstörungen, Zwangsstörungen und dem „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom“ (ADHS) in geradezu epidemischem Ausmass zugenommen. Auch die bipolaren Störungen haben im Verlauf der letzten Jahre mächtig zugelegt. Tendenz: weiter steigend. […] Am anfälligsten für bipolare Störungen erscheinen junge Erwachsene zu sein. Fast sechs Prozent der 18 bis 29 Jährigen erfüllten im Erhebungszeitraum 2001-2003 die Diagnosekriterien für eine manisch-depressive Erkrankung[…].

 

Was aber, wenn die seit Jahren praktizierte „konsequente“ Pharmakotherapie selbst Teil des Problems ist? Tatsächlich gibt es gute Argumente dafür, dass ein wesentlicher Teil des bipolaren Booms bei Kindern durch das Gesundheitssystem selbst verursacht ist.

 

Eine manisch-depressive Erkrankung wird bei Kindern so gut wie nie von Anfang an diagnostiziert. Gemäss einer Untersuchung des Psychiaters Gianni Faedda haben weniger als zehn Prozent der später als bipolar betrachteten Kinder und Jugendliche diese Diagnose als Erstdiagnose erhalten. Bis 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit einer bipolaren Störung hätten auch ein ADHS, so schätzten Experten. Andere junge Patienten leiden gelichzeitig auch an Angst- und Zwangsstörungen. Bei verhaltensauffälligen Kindern wird in aller Regel zuerst ein ADHS oder eine (unipolare) depressive Erkrankung diagnostiziert. Diese zuerst diagnostizierten Störungen werden meist auch medikamentös behandelt, entweder mit Stimulanzien (z.B. Ritalin) oder mit Antidepressiva. Eine medizinische Praxis, die sich mit Verschreibungszahlen gut belegen lässt. So hat allein in England die Stimulanzien-Verschreibung von etwa 6000 im Jahr 1994 auf 450 000 im Jahr 2004 zugenommen. Beeindruckende 7000 Prozent in zehn Jahren. Dass Antidepressiva nicht nur bei Erwachsenen, sondern gerade auch bei Kindern Hypomanien und Manien auslösen können, ist schon lange bekannt.

 

Unter der Auswirkung von Ritalin […] erleben die ADHS-Kinder Zustände voller Energie, geschärfter Konzentration und gesteigerter Wachheit. Auch Schlafstörungen, Angst und hypomanisches oder aggressives Verhalten kommen vor. Lässt die Ritalin- Wirkung nach, kommt es zu Müdigkeit, Apathie und sozialem Rückzug. Viele Eltern kennen diese „Ritalin-crash“. Kinder auf Ritalin, so scheint es werden ein wenig bipolar. Bei einer beträchtlichen Anzahl von Kindern und Jugendlichen, so scheint es, wird eine bipolare Störung also erst iatrogen durch die Verschreibung von Stimulanzien und Antidepressiva ausgelöst.

 

Wie der Wissenschaftsjournalist Robert Whitaker in seinem Buch „Anatomie einer Epidemie“ ausführt, leiden Kinder mit medikamentös induzierter bipolarer Störung besonders häufig an schweren Verlaufsformen der Erkrankung. Dies äussert sich insbesondere darin, dass die Stimmung in rascher Folge zwischen depressiven und manischen Polen hin- und herpendelt. […] Besonders bipolare Patienten mit schnell wechselnder Stimmungslage haben aber schlechte Prognosen und tendieren dazu, in ihrer Krankheit zu chronifizieren. Eine echte Heilung ist dann häufig nicht mehr möglich und in vielen Fällen werden jugendliche bipolare Patienten zu Invalidenrenten-Beziehern.

 

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Fragwürdige Allianz https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/fragwuerdige-allianz/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/fragwuerdige-allianz/#respond Mon, 08 Apr 2019 16:00:51 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5395

Offensichtlich wurde die fragwürdige Allianz aus wissenschaftlichen Institutionen, Pharmaindustrie und Berufsverbänden […] dem prominenten Schizophrenie-Experten Loren Mosher zu viel. Am 4. Dezember 1998 eröffnete der Gründer des alternativen Soteria-Behandlungskonzepts der American Psychiatric Association seinen Austritt aus der Berufsvereinigung, der er fast 30 Jahre angehörte.

 

In einem offenen Brief an die APA sind die Gründe für den Austritt aufgeführt. Daraus ein paar Auszüge: „An diesem Punkt in der Geschichte ist die Psychiatrie meiner Meinung nach fast gänzlich von den Pharmafirmen übernommen worden… […] Wir versuchen nicht länger, Menschen ganzheitlich in ihren sozialen Umständen zu verstehen. Wir sind viel eher dazu da, die Neurotransmitter unserer Patienten auszurichten. Das Problem ist, dass es sehr schwierig ist, mit Neurotransmittern eine Beziehung zu haben- in welcher Konfiguration auch immer. Ich kann nicht an das gegenwärtige biomedizinisch-reduktionistische Modell glauben, das von der psychiatrischen Führerschaft verkündet wird und uns einmal mehr mit der somatischen Medizin verheiratet. Es geht hier um modische Sitten, Politik und – wie im Fall der Pharma- Verbindungen zu unserem Haus – um Geld.“ Moshers Analyse ist nichts hinzuzufügen.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

 

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Wie psychiatrische Diagnosen entstehen https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/wie-psychiatrische-diagnosen-entstehen/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/04/wie-psychiatrische-diagnosen-entstehen/#respond Wed, 03 Apr 2019 17:11:21 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5672

In der modernen Psychiatrie der letzten Jahre wurden sowohl die mentalen als auch die psychosozialen Faktoren psychischer Störungen zunehmend abgewertet und durch eine radikal auf Biologie reduzierte Sichtweise ersetzt. Der Psychologe Hennric Jokeit und die Journalistin Ewa Hess haben es in ihrem Essay „Neurokapitalismus“ auf den Punkt gebracht: „Depressionen und Angst werden jetzt im synaptischen Spalt zwischen Neuronen verortet und genau dort behandelt“. Auch wenn der Ursprung einer psychischen Malaise im Sozialen liegt – trostlose Kindheit, verkorkste Beziehungen, Mobbing am Arbeitsplatz – therapiert wird vor allem die Biologie. Früher waren Familie oder Umwelt an allem Schuld. Heute ist es das Gehirn.

 

Zugegebenermassen ist es einfacher und vor allem praktikabler, Medikamente zu verabreichen, als eine unbefriedigende Arbeitssituation aufzulösen oder einen zermürbenden Scheidungskrieg zu befrieden. […]

 

Ein paar Jahre nach Erscheinen des DSM-III (1980) hat Yale-Psychiater Mark Gold die neue Sichtweise in seinem Buch „The Good News About Depression“ in einem griffigen Ausdruck zusammengefasst: „Wir nennen unsere Wissenschaft „Biopsychiatrie“ die neue Medizin des Geistes.“ Die Psychiatrie hat sich den weissen Kittel der Mediziner angezogen und wurde von nun an auch in der Öffentlichkeit als wissenschaftliche Disziplin wahrgenommen. […]

 

Aber schon damals wurde über die Willkürlichkeit von Krankheitsdefinitionen und Diagnosekriterien heftig gestritten. So hielt Theodore Blau, damaliger Präsident der amerikanischen Psychologenvereinigung, das DSM III mehr für ein „politisches Positionspapier der American Psychiatric Association als für ein wissenschaftlich fundiertes Klassifikationssystem“. Wohl nicht ganz zu Unrecht, schliesslich war es mit der Wissenschaftlichkeit wirklich nicht weit her. Über die einzelnen psychiatrischen Krankheiten und ihre Symptome haben die APA-Psychiater nämlich ganz einfach abgestimmt: Heben sie die Hand liebe Kollegen, wenn sie der Meinung sind, das Symptom AB gehört zur Krankheit XY. Schwer vorstellbar, dass bei einer Versammlung von Diabetologen darüber abgestimmt wird, ob man einen neuen Typ von Zuckerkrankheit einführen soll, oder dass Astronomen darüber abstimmen, ob es schwarze Löcher gibt. […]

 

 

Für eine weite Verbreitung des biologischen Konzepts der Psychiatrie sorgte 1984 Nancy Andreasens Bestsellerbuch: „Das zerbrochene Gehirn“. Angepriesen wurde das Buch der amerikanischen Star-Psychiaterin als die „erste umfassende Darstellung der biomedizinischen Revolution in der Diagnose und Behandlung von psychischen Krankheiten.“ „Das zerbrochene Gehirn“ verkündete die neue Marschrichtung der Psychiatrie geradezu programmatisch: „Die wichtigsten psychiatrischen Störungen sind Krankheiten. Sie sollten als medizinische Krankheiten betrachtet werden, genauso wie Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs“.
Schon in Andreasens Buch zeigte sich allerdings das Grundproblem, das auch heute, fast 30 Jahre später, nicht gelöst ist. Nämlich, dass die Hirnforschung mit all ihren hoch technisierten Untersuchungsmethoden gar nicht zeigen konnte, ob – und vor allem nicht wo – das Gehirn denn bei psychischen Störungen überhaupt „zerbrochen“ ist. […]

 

Die spezifischen biologischen Charakteristika psychiatrischer Störungen liegen noch immer völlig im Dunkeln.
Bezeichnender Weise gibt es bis auf den heutigen Tag auch kein einziges biologisches Diagnoseverfahren – für keine einzige psychische Störung.[…]

 

Weder mit Gentests, noch mit klinischen-chemischen Untersuchungen, noch mit bildgebenden Verfahren gelingt es, Normalität von Depression, Manie oder Schizophrenie zu unterscheiden. Mit diesen Untersuchungsmethoden können nur hirnorganische Ursachen erkannt werden – beispielsweise ein Hirntumor, der möglicherweise einer Persönlichkeitsveränderung zugrunde liegt. Wie eh und je werden heute psychiatrische Diagnosen durch klinische Beobachtung, Gespräche mit Patienten und Angehörigen und dem Ausfüllen von Fragebögen gestellt.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

 

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Depressionen vergehen in der Regel von selbst https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/03/depressionen-vergehen-in-der-regel-von-selbst/ https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/2019/03/depressionen-vergehen-in-der-regel-von-selbst/#respond Fri, 01 Mar 2019 16:48:11 +0000 https://www.alternativenzurpsychiatrie.ch/?p=5385

Was passiert eigentlich längerfristig, wenn man bei einer Depression gar nichts tut? Wie ist der Verlauf der unbehandelten Krankheit? […] Die WHO hat sich etwas einfallen lassen, um diese Frage anzugehen. Im Rahmen einer Längsschnitt-Studie […] identifizierten Epidemiologen insgesamt 740 depressive Patienten. […] Die depressiven Patienten wurden in vier Gruppen unterteilt: (A) diagnostizierte Patienten, die mit Antidepressiva behandelt wurden, (B) diagnostizierte Patienten, die mit einem Beruhigungsmittel (z.B. Benzodiazepinen) behandelt wurden, (C) diagnostizierte Patienten, die keine Medikamente erhielten und (D) Patienten, die nicht als depressiv diagnostiziert wurden und demzufolge ebenfalls keine Medikamente erhielten.

 

Drei und zwölf Monate nach der Erstuntersuchung wurde der Gesundheitszustand der Patienten erneut erhoben. Die Ausgangshypothesen der WHO – Experten waren gemäss Lehrmeinung: Die mit Antidepressiva behandelten Patienten sollten eigentlich den besten Verlauf zeigen, die nichtdiagnostizierten und die nicht therapierten Depressiven den schlechtesten. Heraus kam aber das Gegenteil. Die 484 Patienten, die keine Psychopharmaka erhielten, erfreuten sich ein Jahr nach der Eingangsuntersuchung einer besseren Gesundheit und hatten deutlich mildere Symptome als die medikamentös behandelten Patienten. […] „Die Untersuchung unterstützt die Ansicht nicht, dass das Nichterkennen einer Depression ernsthafte negative Auswirkungen hat […]“, schlussfolgern die WHO – Experten in ihrem Studienbericht.

 

Was schon Psychiatriepionier Emil Kraeplin wusste, wurde mal mehr bestätigt: Auch wenn es seine Zeit braucht – und diese Zeit grosses Leiden bedeuten kann – akute Depressionen vergehen in der Regel von selbst. Und behandelt man eine Depression nicht mit Medikamenten, so führt dies überhaupt nicht zwingend zu einer Chronifizierung der Krankheit. Die weitverbreitete Meinung, man müsse bei einer Erkrankung möglichst früh eingreifen, ist in der Psychiatrie oft falsch. Eine depressive Störung ist ja kein Tumor, der unkontrolliert weiter wächst, wenn man nichts dagegen unternimmt.

 

Felix Hasler, Neuromythologie, transcript

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