„Für uns besteht kein Unterschied zwischen Seele und Körper. Die emotionalen wie die körperlichen Symptome sind einfach zwei Aspekte eines zu Grunde liegenden Ungleichgewichts im Energiefluss, dem Qi. Das Qi lässt sich auf dreierlei Arten beeinflussen: mit Meditation, die es neu belebt, mit Nahrung sowie Arzneikräutern und mit dem direktesten Verfahren, der Akupunktur. Das was man bei Ihnen Depression nennt, behandeln wir oft mit Akupunktur. Sie funktioniert sehr gut, vorausgesetzt, die Patienten lassen sich lange genug behandeln.“ Tibetischer Arzt (Servan-Schreiber, 2006: 140)
Akupunktur ist mir fremd. Ich habe mich noch nie näher damit auseinandergesetzt. Geschweige wäre jemals auf die Idee gekommen diese Therapieform an mir selber auszuprobieren. Wie bei vielen Dingen die mir fremd sind, hat mir die Lektüre von David Servan-Schreibers Buch: „Die Neue Medizin der Emotionen“ sie mir vertrauter gemacht:
„Zunächst einmal ist die Akupunktur mit ihrer belegten Geschichte von 5000 Jahren wahrscheinlich das älteste medizinische Verfahren, das auf unserer Erde ununterbrochen praktiziert wurde.[…] Als ich anfing, mich ernsthaft für die Akupunktur zu interessieren, entdeckte ich, dass die WHO 1978 einen Bericht veröffentlicht hatte, in dem Akupunktur offiziell als wirksames und akzeptiertes Verfahren anerkannt wurde. […]“
Was Servan-Schreiber bezüglich Akupunktur und Depressionen anhand von Paul beschreibt hat mich beeindruckt:
„Für Paul war die Akupunktur nicht nur eine theoretische Frage. Seit Jahren litt er an Depressionen und nahm seit mehreren Monaten ein klassisches Antidepressivum, das jedoch nicht half. Wegen seiner Rückenschmerzen hatte er einen Akupunkteur aufgesucht […]. Dieser hatte ihm vorgeschlagen zusätzlich zu den bekannten Punkten für Rückenschmerzen noch zwei Punkte auf dem Schädel anzuregen, die mehreren chinesischen Studien zufolge gegen Depression helfen sollten. Als die erste Sitzung halb vorüber war, erklärte Paul, er spüre „eine Nebelschicht sich auflösen, die ihn am Denken hinderte“. Er hatte den Eindruck, leichter und ein wenig zuversichtlicher zu sein, obwohl er noch einen Knoten im Hals spürte, was er seit jeher mit seinen depressiven Phasen in Verbindung brachte. Mittels einer Sitzung pro Woche über mehrere Wochen hinweg lösten sich, wie er erklärte, nacheinander weitere Schichten auf, und schliesslich auch der Knoten in seinem Hals. Im Verlauf der Behandlung fand er zunächst seinen Schlaf wieder, dann eine Energie, wie er sie seit zwei Jahren nicht mehr gekannt hatte, am Ende auch sein Selbstvertrauen, das Bedürfnis mit seiner Frau und den Töchtern zusammen zu sein, und den Wunsch, wieder etwas zu unternehmen. […]
Westliche wie auch asiatische Akupunkteure wissen sehr wohl, dass ihre Kunst bei der Linderung von Stress, Angst und Depression besonders hilfreich ist. Im Westen sind die entsprechenden Techniken jedoch am wenigsten bekannt und erforscht. Die wenigen westlichen Studien sind positiv ausgefallen; selbst in der Klinik der Universität Yale hat man die Akupunktur getestet, um die Angst der Patienten vor einer Operation mit ihrer Hilfe anstatt mit Psychopharmaka unter Kontrolle zu bringen. Doch sie wird nach wie vor nur begrenzt eingesetzt, sicherlich deshalb, weil man wie bei EMDR nicht wirklich versteht, wie sie funktioniert.“
(Servan-Schreiber, 2006: 142,149,150,154)
Brigitte Zürcher